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Garmisch - Florenz 96

(von Dieter Greipl, e-mail: dieter.greipl@mch20.sbs.de)

Zusammenfassung

Start am 15. August, 14:00 in Garmisch.

Tagesziel
km
avg
hm
1.Tag: Umhausen (Ötztal)
82
27,0
1100
2.Tag: St. Michael (Eppan)
132
23,8
2090
3.Tag: Vicenza
147
27,3
1100
4. Tag: Ravenna
172
28,3
200
5. Tag: Florenz (teilweise)
(63)
(24,6)
(500 )
Summe
596
26,4
4990

Am 5. Tag sind wir einen Teil der Strecke mit dem Zug gefahren

Prolog

Soweit es Zeit und Trainingszustand erlauben gehen wir (Dieter, Jürgen und Karsten) jährlich auf "große Fahrt" von München nach Italien. Nach München-Florenz (1993), München-Rom (1994) und einer "Babypause" 1995 waren wir in diesem Jahr wild entschlossen, zumindest München-Florenz zu wiederholen. Es sollte schwierig werden: Karsten plante eine mehrwöchigen Fernurlaub und war deshalb schon in der ersten Jahreshälfte kaum zum Training zu bewegen. Schließlich verweigerte er. Hauptproblem für Jürgen und mich war dagegen einen geeigneten Reisetermin zu finden. Endlich starteten wir am 15. August.

1. Tag: Garmisch - Umhausen (82km, 1100m)

Nachdem ich erst gestern morgen aus Südamerika zurückkam brechen wir erst am nachmittag auf. Das gibt mir Gelegenheit wenigstens einmal lange zu schlafen. In aller Eile packe ich meinen Rucksack. Nach zahlreichen gemeinsamen Touren hat sich eine unausgesprochene Aufgabenteilung entwickelt. Jürgen ist für "Waschzeug", ich für Ersatzteile verantwortlich. Ansonsten minimieren wir unser Gewicht (zumindest das des Gepäcks). Die Etappen über die Alpen und über den Apennin der vergangenen Jahre haben uns das gelehrt...

Den langweiligen Ritt von München nach Garmisch sparen wir uns und fahren mit dem Wagen dorthin. Um 14:00 sind die Rennräder zusammengebaut, der Rucksack geschultert - die Schuhe klicken in die Pedale. Wir starten Richtung Fernpaß. Regen. Etwas verdrossen fahren wir hintereinander her, die Rücksäcke mit einem Überzug gegen Nässe geschützt. Der rauschende Inn direkt neben der Straße ist weit weniger romantisch als in den sonnigen Etappen der letzten Jahre. Die Straße steigt leicht an zum Fernpaß, den wir schon einige Male "erfahren" haben. Wir haben ihn als "leicht" in Erinnerung, etwas steiler nur kurz vor der Paßhöhe . Trotzdem: wir sind nicht so gut vorbereitet wie vor zwei Jahren und unsere ausgedehnteren Trainingstouren liegen einige Wochen zurück. Ich horche in meine Beine, die Knie - kein Problem. Ohne größere Anstrengung kurbeln wir hinauf. Auch der Verkehr - sonst ein Übel - hält sich in Grenzen. Wir verzichten auf unseren üblichen "Paßumtrunk" und fahren sofort ab. Inzwischen regnet es nicht mehr. Über Nassereith, Imst und Roppen geht's ins Ötztal. Morgen steht das Timmelsjoch auf dem Programm und mit gebührendem Respekt versuchen wir noch ein paar Kilometer zu machen. Um 18:00 gehen wir in Umhausen auf Quartiersuche und finden auch schnell einen anspruchslosen Gasthof. Wir sinds zufrieden: duschen, essen, schlafen. Die kulinarische Dimension gewinnt erst morgen an Bedeutung - in Italien.

2. Tag: Umhausen - St. Michael (132km, 2090m)

Wir immer sind wir auch heute bemüht früh zu starten. Es wird schließlich wieder nach 9:00 bis wir auf den Rädern sitzen. Zwar zeigt sich die Sonne nicht, zumindest aber regnet es nicht. Zuerst geht es ganz gemütlich hoch, aber einige km nach Sölden wird es richtig steil. Mein Avocet Höhenmesser zeigt erst 1480hm, ich bin müde und schwitze, kann keinen vernünftigen Rhythmus finden. Zu wenig trainiert. Meine Wasserflasche ist leer und ich fülle sie an einem Gasthaus nach. Abgestiegen. Der Berg hat gewonnen. Jürgen ist besser in Form und fährt relativ rund davon. Wir wissen beide, daß an Anstiegen dieses Kalibers jeder seinen Rhythmus finden und dann treten muß. Treffpunkt ist immer die Paßhöhe. Ich fahre allein weiter und muß mich quälen. Wertvolle Höhenmeter gehen auf einer Abfahrt wieder verloren. Die Bäume werden spärlicher. Die karge Felslandschaft - bei Sonne ein Hochgenuß - wirkt bei diesem düsteren Wetter befremdlich und abstoßend. Die letzten km zum Gipfel verlaufen bis auf wenige Schlußkehren nahezu gerade bergan. Keine Kehren nähren die Hoffnung auf eine Flachstück. Es bleibt durchgängig steil. Erschöpft erreiche ich schließlich 20 Minuten nach Jürgen die Paßhöhe auf 2417m Höhe. Es ist empfindlich kalt und wir beschließen erst in wärmere Gefilde abzufahren und einen gemütlichen Gasthof zu suchen. Die Abfahrt nach Italien ist mit dem Rad eigentlich verboten, aber die italienischen Zöllner machen keine Anstalten uns aufzuhalten. Allerdings gibt es auf der steilen Abfahrt einige nur spärlich beleuchtete Tunnel, obendrein ist der Belag teilweise schlecht. Also Vorsicht. Es wird spürbar wärmer und die Sonne scheint ihren Kampf gegen die Wolken zu gewinnen. Nach wiederholtem Abwinken haben wir "unseren" Gasthof gefunden. Wir wollen heute noch nach St. Michael (Eppan) und brechen nach einer Stunde wieder auf. Die Sonne scheint! Es beginnt eine rauschende Abfahrt - mehr einem Absturz gleichend - nach St. Leonhard. Es ist inzwischen so warm geworden, daß wir in kurzen Hosen und Trikots weiterfahren. Trotzdem haben wir noch mindestens 60km vor uns, die allerdings ohne Zwischenanstieg bis auf eine Höhe von ca. 300m führen. Wir fahren Windschatten und erreichen gegen 18:30 St. Michael (411m). Der Schlußanstieg dorthin zehrt nochmals an den Kräften - aber dafür erwartet uns in unserem Gasthof ein exzellente Küche. Wir essen, nein wir dinieren im Freien und beenden den Tag mit einem Espresso mit Grappa.

3. Tag: St. Michael - Vicenza (147km, 1100m)

Nach einem etwas kargen Frühstück im Wickenschloß brechen wir in einen sonnigen, heißen Tag in Richtung Trient auf. Zunächst geht es hinunter zum Kalterer See (214m). Das Etschtal ist hier eingerahmt von grünen Gipfeln mit steilen Felsabbrüchen. Eine bezaubernde Mischung zwischen weichem Grün und schroffen Felswänden. Vorbei an Apfelhainen fliegen wir nach Trient (192m). Im Stadtzentrum am Dom genehmigen wir uns eine Cola und genießen die wunderbare Atmosphäre dieses Platzes. Etwas ratlos sehen wir uns an, weil wir beide trotz kultureller Ambitionen nichts über Geschichte der Stadt und des Doms wissen. Wir nehmen uns vor, uns beim nächsten Mal wenigstens etwas Lesestoff mitzunehmen. Meine Erkältung, die sich schon gestern ankündigte, wurde inzwischen schlimmer und ich besorge mir bei der zentralen Apotheke Nasentropfen und Aspirin. Erst am Abend wird Jürgen zufällig lesen, daß die Nasentropfen Effhedrin enthalten und mich heftig des Dopings beschuldigen. Nach Trient beginnt es wieder anstrengend zu werden. Wir verlassen die Stadt nach Südosten Richtung Vigolo-Vattaro und Carbonare und werden sofort mit erwähnenswerten Steigungen konfrontiert. Beim Anstieg geht es mir trotz meiner Erkältung besser als gestern am Timmelsjoch. Trotzdem setzt uns der Frizza-Paß (ca. 1100m) bei dieser Hitze zu. Die Abfahrt führt durch bizarres Gebirge nach Arsiero. Aufdringlicher Gegenwind nimmt uns viel Freude an der Abfahrt. Immer wieder müssen wir in die Pedale steigen um eine vernünftige Geschwindigkeit zu halten. Spät abends erreichen wir über Thiene Vicenza (40m), wo wir dann rasch ein zentral gelegenes Hotel finden. Es ist bereits dunkel als wir das Hotel verlassen und im nahen Stadtzentrum erstklassig speisen.

4. Tag: Vicenza - Ravenna (172km, 200hm)

Heute wird der längste Tag unserer Tour: ca. 180 km liegen vor uns. Bisher waren wir stets über Bologna nach Florenz gefahren. Eine Traumstrecke, die über den Futa und Raticosa Paß nach Florenz führt. Trotzdem nehmen wir uns für dieses Jahr eine andere Passage vor und wollen den Florenz von Ravenna aus erreichen. Die Etappe durch die Po-Ebene ist wenig attraktiv: viel Verkehr, jämmerlich flach und eine wenig reizvolle Landschaft nach der großartigen Alpenlandschaft der letzten Tage. Die wenigen Höhenmeter entstehen vor allem über die Brücken über Brenta, Po und Etsch.

Wir fahren über Padua nach Chioggia und dann südlich Richtung Ravenna. Beim Kartenstudium hatten wir uns einige attraktive Passagen entlang der Adria erwartet, doch wir sehen ab Chioggia kein Salzwasser mehr. Bei zunehmender Hitze kurbeln wir bis zur Pomposa-Abtei, die wir aus Helmut Kraussers Buch "Melodien" in lebhafter Erinnerung haben. Vor uns liegen noch ca. 46 km. Seit etwa einer Stunde spüre ich ein Ziehen im rechten Oberschenkel, das ich zunächst nicht ernst nehme. Seit unserem Aufbruch von der Abtei verschlimmert es sich mit jedem Kilometer - ich kann das rechte Bein kaum mehr belasten. Gleichzeitig spielt Jürgens Achillessehnen verrückt. Geschlagen und müde trudeln wir spät am abend in Ravenna ein. Das Hotel hatten wir morgens schon in Vicenca reservieren lassen, so daß die Quartiersuche unproblematisch ist. Von Ravenna sind wir enttäuscht - erst nach einer längeren Wanderung an zahlreichen Fast Food´s vorbei läßt sich ein vernünftiges Ristorante finden. Vor dem Schlafen gehen horchen wir nochmals in unsere Beine: die morgige Apennin-Etappe gehört zu den Schönsten der Tour, verlangt aber nochmals einiges an Kraft. Wir würden sie liebend gern fahren...

5. Tag: Ravenna - Florenz ( teilweise; 63km, 500hm)

Nach einigen leichten gymnastischen Übungen sind wir unsicher, ob wir in der Lage sind, die heutige Etappe zu bestehen. Schließlich entschließen wir uns loszufahren - was sich als Fehler herausstellt. Insbesondere Jürgen hängt jämmerlich am Rad. In Forli (nach 30km) machen wir der Quälerei ein Ende und steigen in den Zug nach Florenz, versorgt mit einer Flasche Weißwein und ein paar Panini. Es tut schon weh, die traumhaft geführte Straße sich in weichen Hügeln schlängeln zu sehen. Wir denken an den phantastischen Blick auf Florenz während des Fluges hinein in die Stadt der Medici, nachdem die letzte Steigung hinauf nach Pratolino genommen ist...

Nein, so nicht. Nun geht alles schnell. In Borgo S. Lorenzo verlassen wir den Zug und sind wieder auf den Rädern. Wir genießen den phantastischen Blick auf Florenz...

Wir nächtigen im Hotel Bruneleschi, die cuppola des duomo von der Dachterrasse aus zum Greifen nahe. Dann ein opulentes Abendessen am Piazza della Signoria - dort und nur dort, um die Farbkomposition des braunen Steines des Medici-Palastes gegen das blau-schwarz des toskanischen Abendhimmels zu genießen. Die Piazza leert sich langsam und wir feiern in irgendeiner Kellerdiskothek den Abschluß unserer Reise.